Lenchens wundersame Reise

Lenchen liebt den Wald. Gnome, Feen und Elfen sind ihre Freunde, die sie die Schönheit der Natur und die Liebe zu den Mitmenschen lehren. Eines Tages verschwindet ihr Hündchen Nino bei einem gemeinsamen Streifzug durch den Wald. Auf der verzweifelten Suche nach ihrem vierbeinigen Freund findet sich Lenchen plötzlich in einer anderen Zeit wieder. Während sie dort Tim und die Segen und Tücken des modernen Lebens kennenlernt, macht sich Lenchens Mutter Lisa auf die Suche nach ihrer Tochter. Im Wald macht Lisa die Bekanntschaft von außergewöhnlichen Menschen und Wesen, mit denen auch sie aufregende Abenteuer zu bestehen hat. Zu Hause ersehnt Peterle die Rückkehr der Mutter und seiner geliebten Schwester. Seine Fähigkeit zu träumen hilft ihm, die Hoffnung nicht zu verlieren.

Im Leben ist nicht immer alles so, wie es scheint. Diese Erfahrung machen alle drei – Lenchen, Lisa und Peterle – auf ihrem Pfad der Werte und der Tugenden. Wohin die schwindelerregende Zeitreise geht, welche Hürden dabei zu meistern sind und ob Lenchen den Weg in ihre Zeit zurückfindet, wissen nur die Wesen des Waldes ...

​So lautet der Klappentext zu meinem Buch LENCHENS WUNDERSAME REISE.

​Wenn Du Feen, Drachen und andere magische Wesen magst, könnte Dich interessieren, was in genau der Gegend geschah, die Lenchen zu zwei völlig verschiedenen Zeiten erleben konnte.​

Buchcover "Lenchens wundersame Reise"

Hier stelle ich Lenchen, Peterle und Lisa mit jeweils einer Leseprobe vor.

​Lenchen ist gerade dabei, sich in dieser neuen Welt und Zeit, in die sie gelangt ist, einzuleben.
Ihr Bruder Peterle versucht, sich ohne Mama und geliebte Schwester zurechtzufinden.
Und Lisa, Lenchens Mama, auf der Suche nach ihrer Tochter, wird mit so viel Neuem konfrontiert​, von dem sie bisher immer geglaubt hatte, dass es gar nicht existiert.​

​Viel Spaß beim Lesen wünscht
Bettina Krüger​

Lenchens Pfad

Helene und Tim fuhren mit dem Fahrrad zu Konrads und seines Onkels Haus. Das Radfahren war etwas, das Helene nun, nachdem sie richtig fahren gelernt hatte, sehr genoss. Mit dem Rad konnte man schnell sein, ohne die Luft zu verpesten, wie es die Autos oder Motorräder taten. Außerdem war es sehr geeignet für die geringeren Entfernungen hier im Ort.
Es schienen schon sehr viele Leute da zu sein. Überall parkten Räder, aber auch Autos. Wie viele Leute waren denn eingeladen? Beinahe der ganze Ort war da. Und so verwunderte es Lenchen, dass Konrads Onkel seinen Neffen rief und mit ihm auf sie zu kam, um sie zu begrüßen und willkommen zu heißen. Er war gerade im Gespräch mit dem Bürgermeister gewesen, hatte sich ihnen aber sofort zugewandt. Auch wenn die Begrüßung kurz, formvollendet und ein wenig kühl war, hatte Lenchen doch den Eindruck, dass sie in besonderem Maße gemeint war. Der Onkel wandte sich anschließend wieder dem Bürgermeister zu. Doch Lenchen konnte sich des Eindrucks nicht erwehren, dass er alles hörte, was Tim und Konrad jetzt miteinander sprachen, ja, sie fühlte sich geradezu von ihm durchleuchtet.
Im Wohnzimmer am Buffet konnte sie Karla stehen sehen. Sie unterhielt sich mit einigen Mädchen der Klasse. Lenchen gesellte sich zu ihnen.
„Hast du schon gesehen, Helene? Marian Birnbaum hat ein Buffet aufgefahren, wie es dieser Ort noch nicht erlebt hat“, sagte Alette Manning, eine Klassenkameradin.
„Wer ist Marian Birnbaum?“, fragte Lenchen.
„Das ist der Onkel von Konrad“, antwortete Karla.
Helene schaute genauer hin. Alles zeugte von erlesenem Geschmack. Sie sah Speisen, von denen sie bisher nur gehört hatte. Doch sie war auch erstaunt, Speisen zu sehen, die es damals, in ihrem anderen Leben – oh, das schien schon ewig her zu sein! – auch gegeben hatte. Oder irrte sie sich? Diese Suppe sah so aus und schmeckte wie eine Spezialität ihrer Oma Lara, eine Holzmichelsuppe. Kaum zu glauben. Eine Suppe, nach deren Einfachheit und gutem Geschmack sie sich manchmal gesehnt hatte, die sie aber hier in dieser Welt nirgendwo aufgetischt bekam, und hier bei diesem merkwürdigen Menschen, Marian Birnbaum, gab es sie nun.
Doch es gab auch noch etwas anderes, Braune Kuchen, hm, auch die schmeckten haargenau wie zu Hause. Langsam wurde es Helene unheimlich. Sie kostete noch eine dritte Spezialität: Kesselfleisch mit Sauerkraut und Wellwürstchen. Es überraschte Helene nicht mehr, denn es schmeckte ebenso vertraut wie die Suppe und die Braunen Kuchen.
Während sie probierte, sprach sie jemand an, den sie bisher noch nicht getroffen hatte: „Diese Speisen schmecken haargenau so wie früher, stimmt’s?“, fragte er und schaute sie mit wachen grauen Augen aus einem freundlichen Gesicht an.
„Christian Maat“, stellte er sich vor. Helene sah einen älteren Herrn vor sich in einem graugrünen hellen Anzug, braunen Schuhen, mit weißen Haaren und, zu seiner eleganten Erscheinung passend, einem wunderschönen Schmuck an seinem Kragen. Nur eine kleine Spange war es, eine Handarbeit musste es sein. Aber Helene hatte keine Zeit, sich darauf zu konzentrieren, denn schon sprach er mit ihr in einer Art und Weise, die sie aufhorchen ließ. Er ließ sich über das Rezept der Braunen Kuchen aus. Helenes Oma hätte davon nicht besser erzählen können. Und Lenchen hatte ihr so oft beim Backen geholfen, dass sie das Rezept auswendig kannte.
„Ganz recht, das ist ein Zeichen“, sagte Christian Maat. „Ein Zeichen aus einer anderen Zeit und einer anderen Welt, dass du hier bist, um zu helfen. Den Weg wirst du finden. Die Helfer, die du haben wirst, kennst du schon.“
Helene sah plötzlich Marian Birnbaum auf sie zukommen. Christian Maat musste es auch gesehen haben. Er ließ sein Glas aus der Hand fallen und bückte sich, doch bevor es zerschellen konnte, waren Mann und Glas verschwunden. Keiner schien das bemerkt zu haben. Als sie Karla nach diesem eleganten Mann fragte, mit dem sie eben gesprochen hatte, meinte diese, dass sie niemanden gesehen hätte, auch die anderen Mädchen bestätigten das. Und Marian Birnbaum war ganz in das Gespräch mit der Frau des Bürgermeisters vertieft.

Christian Maat

Peterles Pfad

Robert saß mit Peterle vor dem Haus in der Sonne. Sie schwiegen schon eine lange Zeit, doch keinem von beiden kam es so vor. Im Gegenteil, es war, als hörten sie voneinander die lauten inneren Rufe nach Lisa und Lenchen. Schließlich war es Robert, der das Schweigen brach.
„Sie werden schon wieder zurückkommen, Peterle.“
„Hm.“
„Lenchen kennt sich doch gut aus im Wald, sie hat gute Freunde. Das hat sie zwar nie gesagt, aber ich weiß es von Großmutter Lara, die hat das mal angedeutet. Irgendetwas hat Lenchen aufgehalten,sie muss etwas erledigen. Das könnte eine Weile dauern. Aber dann wird sie zurückkommen.“
„Und Mama?“
„Ich denke, mit Mama ist es ähnlich. Sie hat zwar keine Freunde im Wald, doch ich kenne sie. Sie ist offen für Neues. Und wenn sie bisher nicht an etwas geglaubt hat, dann kann sie das unter anderen Umständen durchaus. Wer weiß, wen sie alles kennenlernt und wer ihr hilft. Du wirst sehen, die beiden werden gestärkt aus dem Wald zurückkommen, egal, wie lange es auch dauern mag.“
Peterle dachte so bei sich: ‘Der Papa kennt die Mama ziemlich gut und scheint sich ihrer sehr sicher zu sein. Ach, schön wäre es, wenn es so stimmte!’ Sein Seufzer, der darauf folgte, war tief und heftig.
Und Robert dachte bei sich: ‘Dass ich die ganze letzte Nacht wach gelegen habe, hat doch sein Gutes gehabt. Denn so konnte ich meine Gedanken ordnen und gegenüber Peterle eben ziemlich klar sein. Natürlich musste ich mir etwas zurechtlegen, was uns Hoffnung macht. Und wenn ich mich ehrlich frage, glaube ich wirklich an das, was ich eben gesagt habe. Ich glaube, anders könnte ich gar nicht weiterleben.’
Und dann kam der Seufzer aus seiner Brust. Vater und Sohn schauten sich an und lächelten.
„Und was werden wir tun, bis sie zurückkommen?“, fragte Peterle.
„Nun“, sagte Robert, „da gibt es so einiges im Haus zu erledigen und dann wollten wir doch noch den neuen Stall bauen. Ich könnte eine Hilfe gut gebrauchen. So wie ich dich in den letzten Tagen erlebt habe, bist du doch nicht mehr so klein, wie ich dachte. Ich hab gar nicht gemerkt, wie schnell die Zeit vergangen ist. Also, wenn du mir beim Bauen helfen willst, wäre ich sehr froh.“
Peterle traute seinen Ohren nicht. Bisher hatte er sich doch immer fernhalten sollen, wenn der Papa auf dem Hof irgendetwas aufgebaut hatte. Na ja, bisher hatte er, Peterle, auch nicht so gezeigt, dass er auch noch an etwas anderes denken konnte als an Kaulquappen, Nino und Steinburgen.
Er staunte seinen Papa mit offenem Mund an, so dass dieser ihn unwillkürlich in den Arm nahm.
Genau in diesem Moment kam vom Weg vor ihnen ein Rufen. Ihr Nachbar Ferdinand, Maries Mann und Irenes Vater, kam auf sie zu. In seinen Armen trug er etwas, das Peterles Augen immer größer werden ließ. Es war ein kleiner schokoladenfarbener Hund mit feinen Knopfaugen. Als Peterle den Hund sah, wusste er auch schon seinen neuen Namen: Wolko. Und das, obwohl er vorher diesen Namen gar nicht gekannt hatte. Aber in dem Augenblick, als er den Hund gesehen hatte, war der Name bereits in seinem Kopf gewesen.
„Willst du mit deinem neuen Hund nicht einmal eine Runde ums Haus drehen?“, fragte ihn Ferdinand. Zum ersten Mal, seit Lenchen verschwunden war, konnte man in Peterles Gesicht ein Lächeln und ein Paar glücklicher Augen sehen.
Robert sah Ferdinand dankbar an und als Peterle hinterm Haus verschwunden war, fragte er ihn, woher er diesen Hund habe.
„Ach, weißt du, ich war doch gestern in der Stadt. Auf dem ganzen Weg dorthin habe ich mich immer wieder gefragt, wie es mir an Peterles und an deiner Stelle erginge ... Na, du weißt schon. Da habe ich die Gelegenheit ergriffen, als ich den Hund in der Stadt sah, und hab ihn mitgebracht ... Nein, du bezahlst mir nichts dafür, er ist ein Geschenk. Ihr seid unsere Freunde und braucht unsere Hilfe.“
Robert konnte nun gar nichts anderes als still sein. Da fegten Peterle und Wolko an der anderen Seite des Hauses wieder hervor und schienen sich schon wunderbar zu verstehen.
Als Großmutter Anna aus dem Haus kam, sah sie einen für den Moment glücklichen Enkel und ihren Sohn tief durchatmen.

Robert und Peterle

Lisas Pfad

... Lisa schaute. Sie ging durch den Wald und entdeckte die Lichtungen, auf denen sich die Pferde tummelten, sie hörte die Rufe der Eichelhäher und sie glaubte, in der Entfernung etwas Blaues schimmern zu sehen, aber das war wohl nur eine Täuschung. Als sie am Abend mit einer Schürze voller Pilze zu ihrem Baum zurückkehrte, saßen dort schon Feestin und Alinor. Sie hatten ein kleines Feuer angezündet und frisches Wasser geholt. Später kamen noch andere Waldbewohner dazu. Für Lisa war das wie ein kleines Fest. Nach der Stille des Tages hier mit den geheimsten Bewohnern des Waldes zusammen zu sein, war in dieser Situation ein Glück für sie. Den ganzen Tag über hatte sie an Lenchen gedacht. Und vor allem in der Dämmerung des Tages, wenn ihr einfiel, dass sie sonst um diese Zeit mit Lenchen, Peterle und ihrem Mann beim Abendessen saß, wurde es ihr schwer ums Herz. Gerade als Lisa sich sorgenvoll fragte, was nun werden würde, und als sie spürte, dass sie doch nicht weiterhin so scheinbar sorglos durch den Wald streifen könne, wie sie es heute getan hatte, gerade da wehte ihr etwas in die Augen, das sie völlig ablenkte. Denn statt dass es sie blendete und sie die Augen reiben musste, hatte sie das Gefühl, nun plötzlich viel klarer zu sehen. Und was sie da sah, erstaunte sie, obwohl sie ja inzwischen an einige wundersame Geschehnisse gewöhnt war. Vor ihr stand die Feenkönigin. Sie war unbemerkt mit einer Kutsche gekommen, die in den Farben des Regenbogens leuchtete. An goldenem Geschirr standen weiße Pferde, so klein wie Königin und Kutsche selbst. Lisa kam aus dem Staunen nicht heraus, als die Feenkönigin sie auch schon ansprach.
„Ich konnte heute sehen, Lisa, dass du dich im Wald völlig frei von Angst und trotzdem umsichtig bewegt hast. Du weißt jetzt, dass es mehr gibt, als deine Augen bisher sehen wollten und du spürst die Geheimnisse des Waldes, auch wenn sie sich noch ein wenig vor dir verborgen halten. Du bist nun bereit, einen weiteren Bewohner des Waldes zu treffen, der sich jedoch nur sehr selten in dieser Gegend aufhält. Er wird dich später besuchen und du wirst dich über seine Klugheit und Größe wundern, daran wirst du ihn erkennen. Mit ihm gilt es, die nächsten Aufgaben zu bestehen, er wird dich beschützen und dir mit Rat und Tat beiseite stehen.“ Kaum hatte die Feenkönigin das gesagt, war sie auch schon wieder verschwunden. Renesmee erklärte ihr, warum sie schon wieder davoneilte, es gab mehrere triftige Gründe. Der wichtigste Grund war, Lisas künftigen Begleiter noch einmal zu sehen und zu sprechen, bevor er mit ihr zusammentraf.
Dort, wo die Kutsche verschwunden war, schien sie einen Schweif aus Sternenstaub hinterlassen zu haben, so kam es Lisa vor. Auf dem Schweif, der aussah, als würde er aus klitzekleinen Sternlein bestehen, konnte man gehen. Immer höher stieg Lisa hinauf, bis um sie herum nur noch blauer Himmel zu sehen war.
„Du hast dich ganz schön weit hinauf gewagt, stimmt’s?“, hörte sie plötzlich eine tiefe Stimme sprechen.
Sie schaute sich um, verwundert, hier oben im Himmel eine so schöne und angenehme Stimme zu hören. Sollte die vom lieben Gott sein?
Doch was Lisa jetzt sah, stellte sie an diesem Tage noch ein weiteres Mal auf die Probe. Ein Drache näherte sich ihr. Langsam flog er auf sie zu und wurde, je näher er kam, immer größer und prächtiger. Seine blauen Augen strahlten sie an, sein Schuppenpanzer leuchtete in den unterschiedlichsten Grüntönen, je nachdem, wie viel Licht darauf fiel. Die Flügel hatten die Farbe von Eis, das leicht ins Bläuliche übergeht, wenn es schmilzt, konnten im Sonnenlicht jedoch auch ganz golden schimmern. Die schöne Stimme kam tatsächlich von ihm. Er landete neben Lisa und bot ihr an, sich an ihm festzuhalten, wenn ihr hier in dieser Höhe schwindlig wäre. Das nahm Lisa gerne an, schon, weil sie neugierig war, wie sich diese Drachenhaut anfühlte. Wider Erwarten war sie ziemlich weich und hatte etwas Samtiges.
„Erinnerst du dich“, sagte der Drache, „als du noch ein kleines Kind warst und am nördlichen Wald wohntest, da warst du einmal mit deinen Freunden unterwegs, als ihr mich entdeckt habt. Ich war verletzt worden, lag auf der Wiese und leckte meine Wunden. Deine Freunde sind sofort geflohen, doch du hast dagestanden, mir in die Augen geschaut und bist ihnen erst nachgelaufen, als sie dich riefen. Du hattest keine Angst, obwohl du noch sehr klein warst.“
Lisa erinnerte sich. Sie sah sich selbst als kleines Mädel, das gerade einmal die höchsten Gräser überragte und vor ihr dieser riesige Berg von einem grünen Drachen, der eine Menge Drachenblut verlor. Wie hatte sie das vergessen können?
„Die ungewöhnlichen Dinge vergisst man gern schnell, das hält sich leichter aus“, sagte der Drache, was Lisa wieder daran erinnerte, dass die Bewohner des Waldes ziemlich gut im Gedankenlesen oder -hören waren.
Damals hatte sie den Drachen zum ersten Mal gesehen. Als sie irgendwann später einmal mit ihrem kleinen Bruder Paul im Wald Pilze suchen war, da hatte sie ihn ein zweites Mal gesehen. Es war nur ein kurzer Blick durch die Bäume gewesen, denn sie hatte befürchtete, dass Paul sich sehr erschrecken würde, wenn er den Drachen sah. So hatte sie ihn schnell in eine andere Richtung abgeschoben. Bei der dritten Begegnung hatte sie den Drachen als kleinen Punkt am Himmel gesehen. Dass er es war, hatte sie erst erkannt, als er ein wenig tiefer flog, um ihr eine Edelweißblüte hinabzuwerfen.
‘Was macht ein Drache mit einer Edelweißblüte?’, hatte sie damals gedacht, obwohl es schon klar war, dass er ohne Schwierigkeiten in höchste Höhen gelangen konnte. Trotzdem hatte sie damals diese Blüte aufgehoben. Sie lag, lange Zeit vergessen, in Lisas erstem Tagebuch, jetzt bei ihr daheim zuunterst in ihrer alten kleinen Truhe, die ihr als Einziges von ihrem früheren Zuhause geblieben war.
„Diese Edelweißblüte habe ich damals von der kleinen Fee Aurealin pflücken lassen, die sie mir in einem Tragetuch aus Tannennadeln überreichte, sonst wäre sie ja schon hoch in den Wolken an meinem heißen Atem verwelkt. Ich wollte sie dir schenken, damit du dich an mich erinnerst. Auch wenn sie viele Jahre vergessen lag, sehe ich jetzt in deinen Augen, dass sie in dein Bewusstsein zurückgekehrt ist und damit auch die Erinnerung an mich.“
Plötzlich purzelte Lisa aus großer Höhe herab, huh, was war das für ein Gefühl im Bauch! Sie war unaufmerksam gewesen und war vom Rand des Sternenstaubschweifes, auf dem sie noch immer gestanden hatte, abgerutscht.
‘Muss ich jetzt sterben?’, dachte sie erschrocken, da sah sie unter sich den grünen Körper des Drachen. Ganz sanft landete sie auf ihm, hielt sich an den größeren Schuppen auf dem Rücken noch vor dem Flügeln fest, ließ sich von ihm durch die Luft tragen und sah weit in der Ferne vor dem Wald weißen Rauch aufsteigen. Sie gelangten zwischen den Baumwipfeln hindurch auf eine Lichtung im Wald, wo Lisa absteigen konnte.
‘Zu viel Neues heute’, dachte sie und legte sich hin, nachdem der Drache wieder davongeflogen war.
Lisa erwachte, als sie die Nüstern eines Pferdes weich und warm an ihrem Hals spürte. Sie fragte sich, wie lange sie geschlafen hatte. Nur eine Minute, nachdem der Drache sie abgesetzt hatte oder eine Sternenstaubwanderung und einen Drachenflug länger? ...

Helene